Die Liebe in der zweiten Lebenshälfte retten

Das Beste kommt zum Schluss. Doch bei vielen Paaren in der zweiten Lebenshälfte fühlt es sich danach nicht an. Die Luft ist raus. Lest hier, wie Ihr wieder neu starten könnt.

Die Silberne Hochzeit und die Sinnfrage

Die Silberne Hochzeit scheint bei manchen Paaren weniger Stolz als die große Sinnfrage auszulösen: War es das jetzt? Was darf ich noch erwarten? Und was ich will ich eigentlich? Im Laufe unseres Lebens lassen wir zu, dass wir immer enger werden und immer weiter von unserem Ich entfernen, von unseren Bedürfnissen und Wünschen. Wir geben die Kontrolle nach Außen ab: an den Job, wie man zu funktionieren hat, um die Karriereleiter zu erklimmen. An die Familie, für deren Wohlbefinden wir unser eigenes zurückstellen. Ein „Jetzt oder nie!“ schleicht sich in die Gedanken und wird immer lauter. Menschen, die in diesen Situationen, radikal handeln, haben oft über Jahrzehnte gegen ihren inneren Kompass gelebt. Nicht selten überraschen sie den Partner eiskalt mit ihren Trennungsabsichten.

TIPP In einer Beziehung ist es wichtig, dass beide Partner lernen, auf sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse zu achten. Wieviel Zeit brauche ich für mich selbst? Was tut mir gut? Was ist mir im Leben wichtig? Wagt es, für Euch zu sorgen und darüber offen mit dem Partner zu sprechen. Wenn Paare eine gesunde Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge entwickeln, können sie sich gegenseitig unterstützen und gleichzeitig Raum schaffen, sich  individuell zu entfalten und persönlich zu wachsen.

Planet jede Woche nicht nur entlang der Termine, die von außen anstehen, sondern reserviert Euch frei verfügbare Zeit für Euch und Euren Partner.

Kinder weg, Gefühle weg

Fast zwei Jahrzehnte verbringen Eltern mit ihren Kindern in einer Lebensgemeinschaft. Nicht nur, dass sich vieles um die Kinder dreht und viel Liebe und Energie in sie fließt, es kann auch sein, dass sich ein gegenseitiger Rückzug aus der Beziehung einschleicht. Zuwendung, Liebe und Bestätigung kann man sich nicht mehr nur vom Partner holen, sondern auch bei den Kindern. Für ein glückliches Kind stellt man gern alles hinten an, auch die Partnerschaft. So lange die Kinder im Haus sind, sind sie in diesen Beziehungen Aufgabe, Inhalt und Bindungskitt. Wenn sie ausziehen, wird den Eltern neben dem Trennungsschmerz bewusst, dass ein leeres Nest und eine leere Beziehung zurückbleiben.

TIPP Nutzt diesen Einschnitt als eine Art Paar-Check-up: Lieben wir uns noch? Verbringe ich gerne Zeit mit meinem Partner? Wie stelle ich mir jetzt unser Beziehungsleben und unsere Zukunft vor? Sprecht offen über Eure Gedanken, Gefühle und Ängste. Im schlimmsten Fall gesteht Ihr Euch ein, dass Ihr Euch entfremdet habt und Gefühle kaum mehr wahrnehmbar sind. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich diesen Fragen zu stellen und sich als Paar wieder zu entdecken.

Wenn Euch das leere Nest belastet, könnt Ihr folgendes tun: Gestaltet das verlassene Kinderzimmer um, beispielsweise als kleine Werkstatt, Kinozimmer oder Fitnessraum. Verlagert Euren Fokus auf Euch. Weniger Menschen im Haus bedeuten mehr Kapazitäten für Euch selbst und als Paar: Ihr müsst keine Rücksicht mehr nehmen. Was wolltet Ihr schon lange einmal ausprobieren? Entwickelt neue Rituale beziehungsweise führt alte Rituale aus Eurer Zeit ohne Kinder wieder ein. Ihr wollt lieber später zu Abendessen? Und habt nur der Kinder wegen gekocht? Dann ändert das doch jetzt.

Der Fremde in meinem Bett

Es kann sein, dass Dir niemand vertrauter ist als der Mensch neben Dir im Bett. Und es kann sein, dass Du viel zu lange an diesem Gedanken festhälst obwohl sich Dein Partner im Laufe der Zeit stark verändert hat. Entweder scheust Du Dich, es Dir einzugestehen und genau hinzuschauen – weil Du Angst hast, festzustellen, dass alles, was Ihr wirklich noch teilt, nur noch Tisch und Bett sind. Weißt Du, was Deinen Partner gerade beschäftigt, welche Enttäuschungen, Wünsche oder Sehnsüchte in ihm arbeiten? Funktional lebt Ihr eine Beziehung, emotional seid Ihr Lichtjahre auseinander gedriftet. Das Gemeine an diesem Prozess ist, dass er schleichend über Jahre im Verborgenen passiert und nicht einmal aktiv von dem Partner gesteuert oder willentlich verfolgt wird. Es ist als würde es wie von selbst passieren und unterwandert schleichend die Beziehung wie ein Geschwür.

 TIPP Wenn Du noch einen letzten Funken Interesse an Deinem Partner spürst, dann nimm allen Mut zusammen und sprich es an. Gerade in der zweiten Lebenshälfte kann diese Situation ein guter Startpunkt sein, gemeinsam noch einmal neu anzufangen und sich mit all den persönlichen Veränderungen, Bedürfnissen und Wünschen für ein erfülltes Altern auseinanderzusetzen. Wenn es Euch alleine schwerfällt, empfiehlt es sich, eine Paartherapie zu machen. Professionelle Hilfe erleichtert herauszufinden, was Euch verbindet und wie Ihr Euch eine neue gemeinsame Beziehung aufbauen könnt.

Rente: Und wer macht jetzt was?

Wenn einer der Partner in die Rente eintritt, dann ist das ein Einschnitt in das Paarleben vergleichbar mit damals als Ihr jung zusammengezogen seid. Vorher war die meiste Zeit der Woche durch den Beruf verplant und daraus auch eine feste Tagesstruktur vorgegeben. Wann man aufsteht, zu Bett geht, die Mahlzeiten einnimmt, an welchen Wochentagen welche Dinge erledigt werden. Vor allem auch, wer welche Rolle hat. Plötzlich gibt es viel unverplante Zeit für- und miteinander. Dies kann zu Überdruss und weiteren negativen Gefühle führen. Im Beruf gab es Anerkennung, wenn man erfolgreich oder leistungsstark war. Man hatte das Gefühl, wichtig zu sein und gebraucht zu werden. Wenn diese Art von Bestätigung wegfällt, kann dies verunsichern. Man ist gereizt, unzufrieden oder auch resigniert. Dieses Tief kann auch den Partner fordern – und seine Zeit brauchen bis das emotionale Gleichgewicht wieder einkehrt.

 TIPP Der Renteneintritt fällt ja nicht vom Himmel. Eine gute Vorbereitung kann den Einstieg erleichtern. Klärt die Zuständigkeiten im Alltag neu und trefft klare Absprachen. Wer kocht, kauft ein, bügelt, kümmert sich um den Garten oder bearbeitet die Post? Wer organisiert das soziale Leben mit Freunden, Verwandten und behält den Terminkalender im Auge? Verteilt um und seht es als Experiment, um herauszufinden, was funktioniert.

Macht Euch auch gemeinsam Gedanken zur neu gewonnen Zeit und Freiheit: Was will ich, was will er und was wollen wir beide mit der neuen Zeit machen? Zum Beispiel gemeinsam etwas Neues entdecken, wie Thailändisch kochen oder Italienisch lernen.

Intimität neu gestalten

In jeder längeren Beziehung gibt es Phasen, in der die Sexualität in den Hintergrund tritt: Sei es rund um die Geburt eines Kindes, wenn ein Partner beruflich viel unterwegs ist, wenn man krank ist. Entweder hat man so gut wie keinen Sex mehr oder hält sich mühsam an einer Routine fest, die eher für Langeweile als für Prickeln steht. Dennoch empfinden das Paare nicht so dramatisch laut einer Yale-Studie zu Intimität. Das Ergebnis weist darauf hin, dass ältere Paare zufriedener sind als jüngere Paare. Die Frage ist, was diese langjährige Intimität ausmacht. Im Laufe der Zeit entwickeln sich Beziehungen weg von der körperlichen Betonung hinzu einer emotional tieferen Verbundenheit. Dabei sind Verständnis, Zärtlichkeit, gegenseitige Unterstützung und das gemeinsame Durchleben von Höhen und Tiefen wichtig.

 TIPP Kreiert Eure eigene Intimität neu. Was bedeutet für Euch Intimität? Ist sie nur sexuell – oder gibt es noch andere Facetten? Sexualtherapeut Ulrich Clement hat einmal gefragt „Wo steht geschrieben, dass Sie Sex haben müssen?“ Jedes Paar hat die Freiheit, selbst zu entscheiden, was es in welcher Phase seines Lebens braucht, um sich einander nahe zu fühlen.

 ÜBUNG

Wieder mehr Nähe schaffen

Nachfolgende Übung ist eine kleine Wunderwaffe, wenn es darum geht, sich als langjähriges Paar wieder anzunähern.

Jeder beantwortet die nachfolgenden beiden Fragen zuerst für sich allein schriftlich. Schreibt alles auf, was Euch einfällt. Dann setzt Euch einander gegenüber, so dass Ihr Euch in die Augen sehen könnt und tragt zu jeder Frage Eure Antworten vor – ohne Unterbrechung des Partners. Es gilt nur zuzuhören. Dann ist der zweite Partner zur ersten Frage dran. Das gleiche gilt für Frage 2. Erst wenn beide alle Fragen beantwortet haben, könnt Ihr in den Austausch gehen, wie diese Übung für Euch war und was Ihr Euch dazu noch gegenseitig sagen wollt.

Frage 1: Was ich von dir bekommen habe und wofür ich Dir danke.

Frage 2: Was ich Dir nicht habe geben können und was mir leid tut.

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Paarleben: Vom Verstehen zum Verständnis